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Jetset oder Jetlag

Wilkommen zu meinem ganz persönlichen Blog.
Unregelmäßig und ungefiltert geht es hier um das Große und Ganze. Und um das Banale.  

Seven Blessings, 2023!

Aktualisiert: 1. Jan.

Der Versuch eines positiven Jahresrückblicks.



Es ist vollbracht. Das Jahr, das die Welt für viele so grundlegend verändert hat. Es gäbe viele Gründe, skeptisch auf das nächste Jahr zu blicken. Wir lesen sie jeden Tag, hören davon, sprechen darüber. Lassen wir das hier einmal beiseite, oder betrachten wir es anders. Immerhin: Jede und jeder dritte Mensch in Österreich geht heute Nacht positiv gestimmt ins neue Jahr, so eine IMAS-Umfrage. (Journalistische Ehrlichkeit: Vor der Pandemie waren es noch zwei von drei, und doch geht es wieder aufwärts.)      

Persönlich gehöre ich da dazu. Freunde sagen, ich sei ein unverbesserlicher Optimist, und das stimmt auch. Ich hätte eventuell sogar Grund, diesmal weniger euphorisch zu sein. Nur, warum? Und wozu? 2024 wird viel Neues bringen, und darauf freue ich mich. Neue Aufgaben, neue Herausforderungen, neue Abenteuer. Viele neue Begegnungen mit Menschen, die ich jetzt noch nicht kenne. Abschied von welchen, die mich nicht kennen. Eine Katharsis ist vorprogrammiert, die ich selbst gestalte. Ein vorerst letztes Mal schaue ich daher an diesem Silvesterabend in den Rückspiegel.



1.) Künstliche (Un)Intelligenz

Vor einem Jahr haben wir uns „ChatGPT“ das erste Mal genauer angeschaut. Und Angst bekommen. Warum eigentlich? Wie hier schon im ersten Blogbeitrag beschrieben gibt es dafür keinen Grund, so lange echte Menschen echt menschliches tun.



2.) Alles wird teurer

Die Inflationsraten sind 2023 in Österreich von anfangs über 10 Prozent auf etwas über 5 Prozent gesunken. Was immer noch bedeutet, dass eine Familie an diesem Silvesterabend rund 2.160 statt 2.000 Euro für das Nötigste im Dezember ausgegeben haben wird. 160 Euro mehr also, die erst im Nachhinein – und nach erbittert geführten Kollektivvertragsverhandlungen – auf der anderen Seite auch hereinkommen werden. Das nennt man Sozialpartnerschaft, und Benya-Formel. Und bis sich Wirtschaft und Gewerkschaft nichts noch Besseres, Faireres ausgedacht haben, ist das gut. Und auch, dass der Kartenspielertrick der Einmalzahlungen nicht aufgegangen ist.  



3.) Der eine Krieg geht weiter, der andere hat erst begonnen

Schaut man den rund 1.000 Kilometer langen Frontverlauf der letzten 12 Monate in der Ukraine an, stellt man kaum eine Veränderung fest. Auf jedem dieser Kilometer liegen seither jedoch weitere 10 tote Zivilisten, laut Statista. 9.500 Menschen, davon 500 Kinder. Tot, weil der russische Machthaber Putin das Rad der Zeit zurückdrehen will. Weil er von Demokratie und Freiheit weniger hält als von seinem Machterhalt. Er wird 2024 wiedergewählt werden, weil er in Russland geschafft und geschaffen hat, was die freie und demokratische Welt der Ukraine und in der Folge anderen Ländern und Bevölkerungen ersparen will. Mit bislang zähem Erfolg. Freiheit, und vielleicht auch Demokratie, wünschen sich viele Palästinenser. Damit den grausamen Überfall der Mörderbanden der Hamas Anfang Oktober zu rechtfertigen, wo an einem Tag so viele Zivilisten ihr Leben verloren haben wie in der Ukraine im schlimmsten Monat des Jahres, geht sich einfach nicht aus. So wenig differenziert auch jetzt der Krieg im Gazastreifen manchmal erscheint. So wenig differenziert ist hier oft auch der Blick in den Rückspiegel. Wer ist eigentlich wann, in einem Gebiet in etwa so groß wie Wien und Niederösterreich zusammen, zuerst gewesen? Ist das jetzt nicht egal? Es ist Fakt, es sind Nachbarn, von denen nur ein paar sich nicht leiden können. Die allermeisten wollen vielleicht Demokratie und Freiheit, ganz sicher wollen diese Menschen aber Frieden und Sicherheit. Ihren Stimmen werden wir 2024 besser zuhören.  



4.) Corona ist gekommen, um zu bleiben

Den Silvesterabend verbringen so viele von uns mit Covid-19 wie keinen zuvor. Sagen die Abwasseranalysen. Denn, Tests und Absonderungen gibt es nicht mehr. Nicht, weil das alles übertrieben gewesen wäre, sondern weil das Virus zwar ansteckender, aber weniger tödlich geworden ist. Weil jeder, der sich Schlimmeres ersparen will, geimpft wird. Nicht gegen eine Ansteckung, sondern gegen einen schweren Verlauf. Dieser Unterschied ist nicht immer so klar gewesen. Die Bundesregierung hat mit Abschluss ihres Aufarbeitungsprozesses kurz vor Weihnachten, relativ leise, zugestanden, dass die Kommunikation und viele Vorschriften, im Nachhinein betrachtet, völlig daneben waren. Ob es eine FPÖ-Regierung besser gemacht hätte, ist zumindest zweifelhaft, profitiert haben die Freiheitlichen aber.

 


5.) Der blaue Aufwind und rotschwarze Erinnerungen

Prognosen sind schwierig, wenn sie die Zukunft betreffen, besonders. Wer auch immer dieses Zitat wirklich gesagt hat, für Meinungsforscher ist es ihr Safehouse, nach Wahlen, von denen heuer zwei wichtige bevorstehen. Da droht einmal bei der Neuverteilung der Sitze im Nationalrat eine deutliche blaue Mehrheit. Also entweder ein Volkskanzler Kickl. Erfolgreich im Aufspalten der Bevölkerung nach in allen Belangen skeptischen Leuten, und einer oft zu arroganten Elite, welche Wissenschaft und Humanismus zwar versteht, aber jene Menschen nicht, die sie nicht verstehen. Oder es kommt nicht soweit, so lange Kickls Freiheitliche keine Absolute erringen und die ÖVP nicht noch einmal, zwecks Machterhalt, einen solchen Bund eingeht. Treffen die Prognosen ein, wird sie sich sehr teuer als Juniorpartner an die SPÖ verkaufen, wenn nicht sogar wieder einmal der Zweite den Dritten zum Sieger macht. Dass es das die Roten mit ihrem neuen Rückgrat Babler auch nicht leicht haben werden, macht die Sache noch spannender.        In Wien muss sich die SPÖ ihrerseits neue Verbündete suchen, und das könnte unter anderem die Bierpartei sein. Nicht die schlechteste Option, hört man aus den Bezirksparlamenten, wo sie zeigt alles andere als eine Spaßpartei zu sein. Und unter anderem den Grünen zusetzt, die sich hüben wie drüben, im Bund und in der Bundeshauptstadt, in Opposition konsolidieren dürften. Festkleben gilt da nämlich nicht.  

 


6.) Der Fall des Lindemanns

Nein, der Rammsteinsänger ist nicht gefallen. Trotzig wie einst Maskenverweigerer pilgerten seine Fans in die Stadien, um dem „peinlichsten Berliner 2023“ (gekürt vom Stadtmagazin „Tip“) zu huldigen. Die Protestkundgebungen vor den Konzerten waren überschaubar. Und auch das ist gut so. Lindemann konnte nichts nachgewiesen werden, auch wenn vieles dafür spricht, dass er seine Texte („Du blutest für mein Seelenheil /Ein kleiner Schnitt und du wirst geil / Der Körper schon total entstellt / Egal, erlaubt ist, was gefällt“) mehr sind, als künstlerische Freiheit und Fantasie. Seine „Row Zero“ ist Geschichte, potentielle Opfer sind gewarnt. Schlechte Scherze zur #metoo-Bewegung bleiben in vielen Hälsen wieder stecken, und auch der rote Nationalratsabgeordnete und Trumauer Bürgermeister Kollross dürfte seine gelangweilten Vergewaltigungsfantasien eines „Rechts auf die erste Nacht“ mittlerweile bereuen. Jedes Opfer ist eines Zuviel, ob die 28 ermordeten Frauen in Österreich oder die unzähligen insbesondere im Iran. Und es geht alles viel zu langsam, nur: es geht in die richtige Richtung.  

 


7. und wichtigstens) 36 Grad und es wird noch heißer

Alles Bisherige geschriebene trifft uns ziemlich unmittelbar. Wie schön waren da doch die warmen Sommermonate, in denen wir an etwas anderes denken durften? Gerade die können einem aber auch Angst machen. Wieder war es eines der wärmsten Jahre, das nun zu Ende geht. Und dieser Jahresrückblick endet mit der größten Herausforderung, vor der die Menschheit je gestanden hat: dem Klimawandel. Punkt. Hier gibt es nichts zu relativieren, nichts zu beschönigen. Kein wenn und auch kein aber. Erst werden die paar Inseln verschwunden sein, die heute mit als erste Neujahr gefeiert haben. Dann wird es in vielen Regionen zu heiß zum Leben sein, und Milliarden ihrer Bewohner werden fliehen müssen. Auch in unsere Gefilde, wo Muren zum einen, Trockenheit zum anderen noch die kleinsten Übel sein werden. Die "Festung Europa" wird dann noch viel mehr herbeigeredet und gehandelt werden. Die UN-Klimakonferenz in Dunbai hat am 13. Dezember ein labbriges Abschlussdokument hervorgebracht. Immerhin werden darin fossile Energieträger als echtes Problem erstmals anerkannt. Schon ein paar Mal, etwa beim FCKW, war ein solches erstes niedergeschriebenes Eingeständnis der erste Schritt um Katastrophen abzuwenden. Und auch, dass niemand drauf warten soll, dass andere den nächsten Schritt als erste tun. Mit dem Finger auf China zu zeigen, zugegeben mit der größte Treibhausgasproduzent der Welt, und selbst über 1.000 Tage kein neues Klimaschutzgesetz zustande zu bringen, ist schwach. Umfragegetrieben - und gegen den Trend am Automobilmarkt - von Green Fuels zu fabulieren, noch schwächer. Das ist überhaupt die Universalmetapher der österreichischen Innenpolitik: Es ist Blödsinn, aber die Leute wollen es, also wird es gemacht. Hier kann man froh sein, dass unser Land wirklich recht klein ist, und nicht all zu viel Schaden damit anrichtet. Noch weniger Schaden anzurichten wäre ein schöner Neujahrsvorsatz.







 



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